Home Conventions & Cosplay Connichi 2017: Interview/Panel mit Mitsuo Iso

Connichi 2017: Interview/Panel mit Mitsuo Iso

by TMSIDR

Eigentlich war der Artikel schon ziemlich weit vorangeschritten, bevor wir am 16. Oktober nach Japan flogen, aber erst nach einer Erkältung im Urlaub und der Rückkehr nach Deutschland inklusive Bekämpfung von Jetlag habe ich ihn endlich abschließen können. ^^

Am späten Samstagnachmittag des Con-Wochenendes gab mir die Connichi die Gelegenheit ein Interview mit Mitsuo Iso zu führen, wozu mich CupcakeStar dann spontan begleitete. Ich hatte mir im Vorfeld zehn Fragen überlegt, aber da meine ausgewählten Themen teilweise etwas komplexer waren, konnte ich gar nicht alle stellen. Dabei überzogen wir sogar noch etwas. Der Animator hat z.B. einige bekannte Szenen aus Evangelion, Ghost in the Shell und Mobile Suit Gundam 0080: War in the Pocket animiert und zudem bei Dennoh Coil Regie geführt, die Series Composition gemacht und natürlich auch als Key Animator mitgewirkt. Aktuell arbeitet er u.a. an der japanisch-französischen Co-Produktion Les Pirates de la Réunion. Sein Animationsstil ist sehr auffällig, da er u.a. Szenen komplett alleine ohne Inbetweener animiert und dabei bewusst „weniger flüssig“ animiert als gewöhnlich. Trotzdem wirken die Szenen dadurch unglaublich lebendig und gerade durch seine Actionszenen wurde er bekannt.

Übersetzerin: Jasmin Dose

TMSIDR: Ist dies Ihr erster Besuch in Deutschland und was fanden Sie bislang am interessantesten?

Mitsuo Iso: Ja, es ist mein erster Besuch in Deutschland und ich habe mir leider bisher nur Kassel anschauen können, da wir nach der Landung mit dem Bus direkt hierher gekommen sind. Das heißt, für mich bedeutet Deutschland bislang eigentlich nur Kassel. Ich konnte mir den Herkules anschauen. Letztes Jahr bin ich allerdings in Frankfurt gelandet und habe dort eine Frankfurter Wurst essen können.

T: Im Vorfeld hatte ich mich etwas im Internet informiert, was Sie in den letzten Jahren so gemacht haben. Da fiel mir auf, dass Sie für die Firma Ricoh etwas über das Jahr 2036 in einer Artikelserie geschrieben haben, die die Firma auf ihrer Seite veröffentlichte. Mich würde interessieren wie es zu dieser Zusammenarbeit kam.

Mitsuo Iso: Ricoh ist aus dem Produktionsgewerbe und deswegen müssen Sie natürlich an die Zukunft denken. Bei Zukunft denkt man dann an Science Fiction und so wurden dann verschiedene Autoren, Künstler aus dem SciFi-Bereich angesprochen, wobei, glaube ich, der einzige aus der Animebranche war. Ich wurde vermutlich ausgewählt, da Dennoh Coil mit futuristischer Technik zu tun hat.

T: Bei der Recherche fiel mir auch auf, dass Sie mal persönlich etwas über die schlechte Vergütung in der Animebranche auf Twitter geschrieben haben. Da z.B. die niedrige Bezahlung bei Animatoren auch international öfters in die Diskussion kam, würde mich interessieren, was Sie da für die größten Probleme halten und was Sie gerne ändern würden, wenn Sie das könnten?

Mitsuo Iso: Das ist ein ganz schön hartes Thema. Bezüglich des Tweets, das hier ausgegraben wurde, da geht es vermutlich darum, dass damals bei der Planung von Dennoh Coil das Jahresgehalt bei 200.000 Yen lag?

T: Genau.

Mitsuo Iso: Der Tweet selbst hatte mit dem Thema um die schlechte Bezahlung aufgrund zu niedriger Budgets nicht wirklich etwas zu tun. Es bezog sich darauf, dass ich meine eigenen Projekte durchziehen wollte und deswegen Arbeit, für die ich hätte bezahlt werden können, ablehnen musste, also im Prinzip unbezahlten Urlaub genommen habe. Das war eigentlich der Hintergrund in meinem Fall und hatte eigentlich nicht direkt etwas mit dem allgemeinen Problem der Unterbezahlung zu tun. Wenn man das Unterbezahlungsproblem selbst aufgreift, ist dies ein sehr komplexex Thema, wie Ihr sicherlich bemerkt habt, und hier ist meine ganz persönliche Meinung. Es ist natürlich vom Produzenten abhängig und welche Aufgabengebiete man übernimmt. Selbstverständlich gibt es zudem auch Projekte und Firmen, bei denen die Bezahlung stimmt. Ich glaube auch, dass die Realität ein bisschen anders ist, als das was in den sozialen Medien hier überall verbreitet wird. In Japan wird mit dem Mindestbudget gerechnet und geplant. Grundsätzlich war die Animeindustrie keine Branche, in der man davon ausgeht, dass man dabei Geld macht. Es wurde auf niedrigster Flamme geplant und jeder hat einfach die Aufgabe abgearbeitet, die vor einem lag. Es gab dann keinen Businessplan und kein finanzielles Gerüst wurde aufgebaut. Deswegen entstand diese missliche Lage. [er übelegt nun lange, wie man das am besten erklären kann und muss auch zwischendrin lachen, da er auf die Wortwahl achten muss und das Thema sehr komplex ist].

Die Animeindustrie ist vielleicht mit einem Architekturbüro vergleichbar. Die unterste kleine Firma bekommt den Auftrag und dann beginnt man mit dem Planen und dem Bauen, die eigentliche Arbeit. Der Auftrag von oben ist nur der Bau eines kleines Gebäude, da man nur wenig Zeit und Geld hat. Man wünscht sich auch nichts anderes von oben. Man kann auch nur die Aufträge annehmen, die in der Zeit schaffbar sind, denn man kann ein Gebäude nicht einfach halbfertig stehen lassen. Es wird kein Palast oder eine Villa erwartet, sondern eher eine kleine z.B. Hütte. Nun kommt aber der Fachmann beim Architekturbüro in Form des Architekten auf den Plan. Bei dem Animationsstudio ist es z.B. der Animator. Der Fachmann möchte nun etwas großartiges herstellen und nicht eine einfache Hütte. Er denkt an die Sagrada Familia und möchte so etwas bauen, Geld und Zeit sind aber nur für eine Hütte vorhanden. So entsteht ein Konflikt. Man kann dem Fachmann nun nicht sagen, er darf diese Leidenschaft nicht haben, denn so schränkt man sein Schaffen ein und die Motivation leidet. Nun muss man einen Kompromiss eingehen: Es ist ok, wenn man nach dem Großen hier strebt, aber es muss klar sein, dass es dafür kein weiteres Geld gibt, da nur eine Hütte bestellt wurde. So enstehen die Konflikte und Herausforderungen, die dann einfach explodieren können. Das ist wirklich ein kompliziertes Thema.

T: Das ist aber doch durchaus verständlich und mal eine andere Herangehensweise.

Mitsuo Iso: [Mitsuo Iso scheint immer noch nicht ganz zufrieden zu sein mit seiner Erklärung.] Mir ist noch eine Möglichkeit eingefallen, das einfacher zu erklären: Das ist im Grunde Kunst gegen Produkt. Die Auftraggeber, die das Budget zur Verfügung stellen, wollen ein Produkt, aber sie bestellen es bei einem Fachmann, der für Kunst zuständig ist. Da es bei Kunst keine Obergrenze gibt, versucht dieser sein Kunstwerk immer besser zu machen und natürlich ist es nicht produktiv, einen Deckel darauf zu setzen, denn das wäre nicht gut für das Produkt. Ein wesentliches Merkmal der japanischen Animation ist eben, dass es ein Kunstwerk ist und nicht ein Produkt. Der künstlerische Teil ist auch das, was in der Welt Anerkennung gefunden hat. Um das Budgetproblem zu lösen, wäre es die einfachste Art nicht mehr zu erwarten, dass die eigene Animation künstlerischen Wert hat. Dann bekommt man nur das Ergebnis, wofür man Budget erhalten hat, was eine sehr pragmatische Herangehensweise wäre. Wenn man aber der Kunst eine Obergrenze setzt und sich nicht mehr herausfordert, kann man sich auch nicht mehr steigern und man erhält etwas, was keine Anerkennung in der Welt mehr erhalten würde.

T: Ich hätte hier noch eine Frage, die, denke ich, ganz gut dazu passt. Sie haben mit verschiedenen Animationsstudios zusammengearbeitet, z.B. Ghibli, Gainax oder Madhouse. Können Sie uns vielleicht etwas über die Unterschiede erzählen?

Mitsuo Iso: Es gibt selbstverständlich Unterschiede, wobei der Unterschied nicht am Studio selbst liegt. Da wir ja eh fast alle selbstständig bzw. Freiberufler sind, haben wir keine Schablone, nach der wir arbeiten und es ist eher so, dass es je nach Werk, Projekt, Regisseur Unterschiede gibt. Das gleiche Produktionsstudio, z.B. Madhouse kann bei dem Projekt A und dem Projekt B komplett unterschiedlich arbeiten. Es geht also im wesentlichen weniger um das Studio, sondern um die einzelnen Projekte bzw. Mitarbeiter, mit denen man zusammenarbeitet.

 

Damit endete der „offizielle“ Teil des Interviews und ich möchte mich an dieser Stelle bei der Connichi für die Vermittlung und bei Jasmin für die kompetente Übersetzung bedanken! Natürlich geht ein spezieller Dank an Iso-san, der sich sehr offen und sympathisch mit meinen doch teilweise komplexeren Fragen auseinandergesetzt hat.

Am Sonntag folgte dann ein Panel, zu dem ich hier ein paar Worte noch verlieren möchte. Zwar war der Gesellschaftssaal nur in den ersten Reihen gefüllt, aber man merkte schnell, dass der Großteil des Publikums sich sehr mit dem Schaffen von Mitsuo Iso auseinander gesetzt hatten. Er selbst stellte seine Werke vor und orientierte sich dabei etwas an seinem vor kurzem erschienen Artbook 磯光雄 ANIMATION WORKS vol.1 (Amazon-Link), von dem er eine Version auch durch das Publikum gehen ließ. Dabei versuchte er zu erklären, was seine Aufgaben als Animator sind, da er vermutete, dass dies nicht alle wussten. Er zeigte zudem einige Videos, die er zuvor auch schon über seinen Twitter-Account veröffentlicht hatte. Er zeigte auch ein Video mit Szenen von ihm, das ein Fan auf YouTube hochgeladen hatte. Ich glaube, es handelte sich um dies hier.

Er zeigte sich überrascht, wie viele Szenen dort gefunden wurden. Witzig fand ich, als er betonte, wie viel Mühe er sich in einer Szene bei Blood: The Last Vampire machte, aber dann im finalen Film merkte, dass man wegen dem dunklen „Filter“ nicht mehr viel davon sehen konnte, siehe hier.

Natürlich ging er auch etwas auf Dennoh Coil ein und er fragte hier auch die Besucher des Panels, ob sie es denn trotz mangelnden deutschen Release gesehen hätten. Zudem verloste er noch signierte „Flip Books“ und gegen Ende des Panels konnten auch noch weitere Fragen gestellt werden. Das Panels gefiel mir sehr gut und es war sehr interessant, etwas mehr über die Arbeit und auch die ein oder andere kleine Anekdote zu seiner Arbeit zu hören und da er auch mit Humor erzählte, verging die Zeit wie im Fluge.

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2 comments

Trippled 3. Dezember 2017 - 19:40

Das die Kontroverse mit Animeproduktion jetzt erst wieder in den Mittelpunkt ist immer so eine Sache. Es war ja schon immer so, kommt halt aber davon her das es halt viele neue Interresenten für Anime. Es war schon immer das Gegenspiel von Kommerz und Kunst, wo von der Produktionsseite nur das Erste gilt, und eher versucht wird die Kunst halt so gut es ging reinzubringen. Das die Produzenten selbst so gut wie kaum Kunst erwarten im Animebereich ist verwunderlich faszinierend, da trotzdem so hochwertiges dabei rauskommt.

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TMSIDR 8. Dezember 2017 - 14:16

Ich vermute, dass hängt auch stark vom Auftraggeber ab. Manch Studio oder Regisseur ist auch eher für ausgefallenere Werke bekannt, so dass man vermuten kann, dass die Geldgeber hier acuh etwas mehr Kunst erwarten und vielleicht auch mehr dafür bezahlen. Ich glaube, gerade bei Werken, wo ein Großteil der Beteiligten weniger erwartet, kommt es dann mal zu Überraschungen, dass z.B. eine Sequenz durch einen motivierten Animator plötzlich besonders gut aussieht. Ein größerer Teil an Serien fällt aber vermutlich gar nicht durch Kunst auf, da der Kommerz hier die Oberhand behält. Vielleicht kann die Serie inhaltlich dann natürlich immer noch überzeugen.

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